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MINOL - Kaum ein Handelsname der untergegangenen DDR ist den Menschen im Osten bis heute so gut in Erinnerung wie der des einstigen Tankstellenriesen. Aber woher kam der Name? Wer lenkte Minol? Welche Vorläufer gab es?
Das Buch unternimmt einen kurzen Ausflug zu den historischen Wurzeln und geht dann an die Schnittstellen des Tankstellenalltags zu VEB-Zeiten. Es lässt noch einmal Revue passieren, wie Tausende Minoler bei Wind und Wetter mit "Schaffnertasche" auf der Fahrbahn unter den Bedingungen größtenteils veralteter Technik und langer Warteschlangen ihren Dienst versahen. Es erinnert einerseits an den Minol-Pirol und die Visionen, die sich mit ihm verbanden, veranschaulicht aber auch das komplizierte und ununterbrochene Tauziehen um die Verteilung des Lebenssaftes in der Planwirtschaft, das einherging mit sträflicher Vernachlässigung des Schutzes der Umwelt.
Der zweite Teil schildert die Öffnung des ostdeutschen Tankstellenmarktes anhand von Zahlen und persönlicher Schicksale. Minol erlebte eine kurze wirtschaftliche Blüte "in Lila". Der Weg in die Marktwirtschaft war begleitet von heftigen internen Auseinandersetzungen. Doch die "schönste Braut der Treuhand" stand bereits zum Verkauf und ging in dem bis heute umstrittenen Koppelgeschäft Leuna-Minol unter.
Die Autorin sichtete Archivmaterial, das die Wirren der Zeit überdauert hat, führte viele Gespräche mit Zeitzeugen aus Ost und West und ließ nicht zuletzt ihre eigenen Beobachtungen und Erlebnisse einfließen. So entstand ein vielschichtiges Panorama über Aufstieg und Untergang eines der großen DDR-Kombinate. Das Buch schließt mit einer "Spurensuche".
Annähernd 400 Dokumente und Fotos illustrieren diesen Teil der jüngeren Geschichte.
Das Buch hat sich nicht nur die Aufgabe sachlicher Bestandsaufnahme gestellt, es würdigt auch die Lebensleistung Tausender Tankwarte und Tankstellenleiter, der Lagerarbeiter und Tankwagenfahrer, der Monteure, Lehrer und Laboranten - jenseits von Nostalgie und Verklärung.

Die Ära Minol


"Wenden Sie sich doch an die Minol", riet man der Autorin bei ihren Recherchen. Der Rat war wenig hilf-, aber sehr aufschlussreich. Dass der ehemalige Tankstellengigant der DDR einfach nicht mehr existieren könnte, ist für manche unvorstellbar. Doch auch ein Staat verschwand in den letzten 15 Jahren, Werte und Maßstäbe drehten sich, Menschen und Städte wandelten ihr Gesicht.
1989 passierte ein "Grenzfall". Der Reiseverkehr nahm teilweise chaotische Formen an und der Kraftstoffabsatz schnellte auf fast das Doppelte. Wendezeit. Reisen und Autos rangierten schon bald in der Prioritätenliste der Neu-Bundesbürger ganz oben.
Die Benzinbahnhöfe in den Farben aller Mineralölgesellschaften - lichtdurchflutet, sauber und transparent - faszinierten. Mittendrin: Minol. Das traditionelle Rot-Gelb wich schnell einem purpurvioletten Design. Danach hieß es "Steig ein in die Formel M! Komm in den Club der Gewinner!". "elf" trat auf, pushte die Marke und beerdigte sie schließlich mit einer rauschenden Werbekampagne. Zwischen Rügen und Fichtelberg wehten hier und da noch lila Fahnen, aber Zug um Zug wurde aus Minol "elf", aus "elf" dann "Total".
Am 1. November 2004 wird Minol als Marke definitiv 50 Jahre alt. (Nur dieses Datum findet man in den alten Akten.) Dass nun das Buch im gleichen Jahr herauskommt, ist ein Zufall. Auch der Anlass "15 Jahre Mauerfall", von dem schon gesprochen wird. Unabhängig von allen Jahreszahlen fahren die Autofahrer im Osten immer noch zu "ihrer" alten Minol-Tankstelle - auch wenn ein Prachtbau entstanden und dieser um- und umgefärbt worden ist.
Tankstellen sind mehr als Zapfstellen, es sind Oasen des Innehaltens, der Kommunikation und Zwischenzeit. Und oft spiegelt sich in ihnen ein Stück Geschichte wider.